Der vierte Aufenthalt (07.01. – 10.02.2016):


Bereits gegen Ende der vorbereitenden Chemotherapie haben die Patienten und deren Angehörige die Gelegenheit
mit der Oberärztin der KMT, Frau Dr. Hilgendorf, ein ausführliches Gespräch zu führen und die Station 520 kennen zu lernen. Auch hier gilt, was ich schon zu der Station 500 gesagt habe: Es stellte sich sofort ein absolutes Vertrauensverhältnis zu den Ärzten und dem Pflegepersonal ein. Ein herzliches Dankeschön an das gesamte Team. So war die Prozedur beim „Check-In“ nicht mehr unbekannt. Vor dem Betreten der Station geht es für alle (auch Stationspersonal) erst mal durch die Eingangsschleuse. Dort werden die Oberbekleidung ab- und eine hellgrüne Krankenhausbekleidung (Kasack und Hose) angelegt. Über die Schuhe kommt ein Plastiküberzug. Um vom Flur in das Zimmer zu gelangen muss man durch eine zweite Schleuse. Bei dieser wird immer nur eine Tür geöffnet, da im Krankenzimmer ein leichter Überdruck aus besonders gefilterter keimarmer Luft herrscht. Ist die Chemotherapie erst einmal begonnen, ist bereits die Schleuse für den Patienten tabu. Das bedeutet, er ist in seinem Zimmer auf unbestimmte Zeit (in der Regel 4 – 8 Wochen) in „Einzelhaft“. Das Zimmer selbst ist, um es möglichst keimfrei halten zu können, sehr spartanisch eingerichtet. Links und rechts neben dem Bett gibt es an der Wand je ein Gestell. An dem einen sind ca. 20 Infusionspumpen zum Dosieren der Medikamente angebracht, das andere nimmt die Geräte zum Messen des Blutdrucks, des Blutsauerstoff sowie ein EKG auf. Vervollständigt wird das Mobiliar durch einen kleinen Tisch und einen Stuhl. Gegenüber dem Bett ist an der Wand ein Fernsehgerät. Das war´s dann aber auch. Alles andere wie Wäsche usw. ist in der Schleuse und für den Patienten somit unerreichbar. Besuch kann empfangen werden, er ist aber auf 2 namentlich zu benennende Angehörige beschränkt. Diese müssen sich aber, ebenso wie alle Personen, welche das Zimmer betreten müssen, in der Schleuse anziehen. Schutzkittel, Haube, Mundschutz, Handschuhe sind angesagt. Das bedeutet, dass man bis zur Entlassung nur noch die Augen der Personen sieht mit welchen man in Kontakt kommt. Es ist tatsächlich ein komischer Moment, in welchem man wieder einen Menschen„mit Gesicht“ sieht. Hygiene ist das alles bestimmende Thema. Alles wird jeden Morgen erneuert. Das betrifft die angebrochene Flasche Selterswasser genauso wie Kekse oder ähnliches. Auch die Zahnbürste wird jeden Tag gewechselt. Während all dies von der Station gestellt wird, muss für die Wäsche selbst gesorgt werden. Jeden Morgen wird vom Pflegepersonal von den Strümpfen und der Leibwäsche bis hin zu frischem Schlafanzug alles bereit gelegt, was der Patient für den Tag braucht. Und da kommt es schnell zu Problemen. Während man meistens bereits genügend Socken oder Unterwäsche hat, ist bei den Schlafanzügen schnell die Grenze erreicht. Bekommt man z.B. einmal pro Woche Besuch, braucht man ca. 15 Schlafanzüge (7 in der Klinik und 7 in der Wäsche). Bei 14 – tägigem Besuchsrhythmus sind das schon 30 Stück! Auf regelmäßige Händedesinfektion wird ebenso geachtet, wie darauf, dass z.B. ein zu Boden gefallener Kugelschreiber nicht aufgehoben wird. Schwester rufen (die muss sich in der Schleuse natürlich erst umziehen, siehe oben), die hebt ihn auf und desinfiziert ihn. Est dann darf er wieder benutzt werden.
Eine Welt für sich, an die man sich erst mal gewöhnen muss. Aber man hat ja Zeit, viel Zeit! Zwei Tage nach der Einlieferung wurde mir der nun schon bekannte  zentrale Venenkatheder (ZVK) gelegt. Von dort gingen zwei dünne Spiralschläuche zu den beiden Sammelschienen an denen die 18 Infusionspumpen zum Dosieren der Medikamente zusammenliefen. Diese Schläuche waren gerade lang genug um bis in die Nasszelle und zur Toilette zu reichen. Allein aus diesem Grund wäre es unmöglich gewesen das Zimmer zu verlassen. Sie blieben mit Ausnahme von ca. 20 Minuten am Morgen für eine Dusche (mit speziellem Filter im Duschkopf!) rund um die Uhr angeschlossen. Nur so war ein Überleben möglich, war doch das eigene Knochenmark weitgehend zerstört und funktionsunfähig. Keine neuen roten Blutkörperchen wurden mehr produziert. Alles zum leben notwendige musste bis zur Transplantation durch diese 2 Röhrchen dem Körper zugeführt werden. Die wurden natürlich auch jeden Morgen erneuert … Zur Chemotherapie selbst ist nicht viel zu sagen. Ich habe sie ohne größere Nebenwirkungen oder Komplikationen überstanden. Obwohl die eingesetzten Zytostatika, wie die Ärzte selbst sagten, „hammerhart“ waren. Wenn man von den Nebenwirkungen redet, so sind in 99% der Fälle die negativen Nebenwirkungen gemeint. Ich habe aber durchaus auch positive entdeckt. So z.B. rauche ich seit dem 28.07. 10:35 Uhr nicht mehr. Die letzte Zigarette war die auf der Fahrt zum Krankenhaus. Auch die äußerst starke Schuppenflechte mit der ich seit Jahren zu kämpfen hatte ist spurlos verschwunden. Logisch, ist die Schuppenflechte doch eine Autoimmunkrankheit. Und wo kein Immunsystem mehr existiert kann es auch nicht falsch „ticken“. Vor der Erkrankung hatte ich immer mal mehr oder weniger ernsthaft versucht abzunehmen. Kein Problem, im Herbst 2015 ich 92 kg, im April 2016 waren es 77! Manchmal ist es auch gut, wenn man etwas zuzusetzen hat. Na ja, mittlerweile sind es wieder an die 90 kg. Aber auch die nicht messbaren Erfahrungen haben mich bereichert. Trotz der lebensbedrohlichen Krankheit die alle belastete, hatten die meisten Patienten ihren Humor nicht verloren und wir hatten (auf 500, auf 520 war das ja nicht möglich) viel Spaß miteinander. Auch der Zusammenhalt untereinander wenn ein Mitpatient verstarb war eine beeindruckende Erfahrung. Mit vielen Patienten dieser Zeit bin ich noch heute in gutem Kontakt, wir sind irgendwie eine verschworene Gemeinschaft geworden. Andere Effekte waren weniger dramatisch. Nach der Glatze kam auch der Haarwuchs wieder in Schwung. Und siehe da, ziemlich dunkle Haare, statt vorher fast weißer! Und nebenbei gab´s auch noch eine neue Blutgruppe: vorher A, jetzt B.

› zur Transplantation ›

‹ zurück zum 3. Aufenthalt ‹